Episode 10.7 - The GenZ dilemma

In einer der letzten Präsentationen zum Thema „KI in der digitalen Gesellschaft“ hatte ich bereits über das, was ich „das GenZ-Dilemma“ nenne, referiert. Der Ansatz dazu war folgender: Die GenZ ist die erste Generation, die in der neuen Zettabyte-Ära aufwächst. Diese Generation hat eine sehr hohe „Digital Tool Adoption“, was aber nicht ausreicht, um die notwendige „Digital Maturity“, also die Kompetenzen, die man in diesem digitalen Zeitalter braucht, zu erlangen.
Derzeit macht eine neue Studie des MIT die Runde, die das Problem auch im Hinblick auf die neuen KI-Tools hervorhebt und eine bereits in vorherigen Studien aufgezeigte Tendenz bestätigt. Diese Tools machen uns „denkfaul“ und verhindern den Ausbau wichtiger kognitiver Fähigkeiten. Und das betrifft insbesondere diejenigen, die sich mitten im Lernprozess befinden*, also die GenZ.
Hier erstmal eine Zusammenfassung dieser Studie:
In der Untersuchung wurden die Teilnehmenden in drei Gruppen eingeteilt:
- KI-Gruppe: Sie durften ausschließlich ChatGPT (GPT-4o) nutzen.
- Suchmaschinen-Gruppe: Sie nutzten beliebige Webseiten, aber keine KI.
- Gehirn-Gruppe: Sie arbeiteten ohne jegliche Hilfsmittel.
Alle Teilnehmenden schrieben in mehreren Sitzungen Aufsätze zu verschiedenen Themen, während ihre Gehirnaktivität per EEG aufgezeichnet wurde. Zusätzlich wurden die Texte von KI und menschlichen Lehrkräften bewertet, die Teilnehmenden interviewt und ihre Fähigkeit, Inhalte aus ihren eigenen Texten zu zitieren, getestet.
Die Ergebnisse sind eindeutig:
- Gehirnaktivität: Die Gehirn-Gruppe zeigte die stärkste und breiteste neuronale Vernetzung. Die Suchmaschinen-Gruppe lag im Mittelfeld, während die KI-Gruppe die schwächste Kopplung der Hirnareale aufwies.
- Gedächtnis und Zitierfähigkeit: Teilnehmende, die mit KI arbeiteten, hatten große Schwierigkeiten, Inhalte aus ihren eigenen Texten zu zitieren. Sie erinnerten sich schlechter und fühlten sich weniger mit ihren Texten verbunden.
- Eigenverantwortung: Wer ausschließlich mit KI schrieb, berichtete von geringerer Identifikation mit dem eigenen Text. Die Gehirn-Gruppe und die Suchmaschinen-Gruppe fühlten sich deutlich stärker als Autor:innen.
In einer anschließenden Sitzung wechselten einige Teilnehmende die Methode:
- Von KI auf Gehirn: Wer zuvor mit KI gearbeitet hatte, zeigte beim Wechsel auf „nur Gehirn“ weiterhin eine schwache neuronale Vernetzung und weniger Engagement. Schlimmer noch, tendiert die Gruppe auch dazu den Schreibstil der benutzten KI zu kopieren, die Studie spricht von "Kontaminationseffekt"
- Von Gehirn auf KI: Wer zuerst ohne Hilfsmittel schrieb und dann auf KI umstieg, konnte seine Gehirnaktivität und Erinnerungsleistung besser aufrechterhalten und zeigte eine breitere neuronale Aktivierung.
Zusammenfassend
- KI macht das Schreiben effizienter, aber oberflächlicher.
- Kreativität, Gedächtnis und Eigenverantwortung leiden unter dem Einsatz von KI.
- Wer regelmäßig mit KI arbeitet, riskiert, dass das eigene Denken weniger tief und vernetzt wird.
- Der gezielte, bewusste Einsatz von KI – etwa nach einer Phase des eigenständigen Denkens – kann die Nachteile abmildern.
KI ist ein mächtiges Werkzeug, das Lernprozesse beschleunigen und vereinfachen kann. Doch der Preis für diese Effizienz ist hoch: Wer zu sehr auf KI setzt, verliert an Kreativität, Erinnerungsfähigkeit und Identifikation mit dem eigenen Werk.
Ein bisschen Neurobiologie zum Schluss
Die Erkenntnisse dieser Studie sind nicht wirklich überraschend: Unser Hirn ist wie ein Muskel. Wird er trainiert, wird er stärker. Wird er unterfordert, bildet er sich zurück. Während die älteren Generationen ihr Gehirn durch Schule, Studium und Praxis lange trainiert und gestärkt haben, stehen GenZ mitten in diesem Entwicklungsprozess. Und dieser kann durch den unausgewogenen Einsatz von KI beträchtlich gestört werden. Und wenn man bedenkt, dass diese Störung genau den Aufbau des "Skills" betrifft, die man von Mitarbeitern im Jahr 2030 erwartet (Siehe am Ende von Episode 10.3), zB. "Creative Thinking" oder "Analytical Thinking", versteht man vielleicht, warum ich in Bezug auf KI-Adoption relativ oft vom notwendigen "Social Change Management" rede. Dieses Problem muss man jetzt und sofort in der Aus- und Weiterbildung adressieren.
Fazit:
- KI als Assistenten für GenX bis Boomer? Genial!
- KI als unbeaufsichtigter Lernpartner für GenZ (und jünger)? Desaster!
Ein paar Quellen
- The Impact of Generative AI on Critical Thinking
- Your Brain on ChatGPT: Accumulation of Cognitive Debt when Using an AI Assistant for Essay Writing Task
Live long and prosper 😉🖖